Hallo!
Ich habe die vorerwähnte Seite besucht, unbedingt beurteilen will ich sie nicht. Darüber soll jeder selbst entscheiden.
"Kaninchenmütter suchen meist Nachts oder in den frühen Morgenstunden ihr Nest auf um die Jungen zu säugen, nach dem säugen leckt sie den Junge(n) kräftig den Bauch um die Verdauung und den Kreislauf anzukurbeln und auch um Kot aufzunehmen und so das Nest sauber zu halten."
Ich habe weder beobachtet, dass meine Häsinnen - heuer sind es 20 - den Jungtieren kräftig den Bauch lecken, noch den Kot aufnehmen um das Nest sauber zu halten. Meistens "steht" die Häsin über dem Nest, die Jungen drängeln sich an die Zitzen, strampeln um die Wette, ab und zu höre ich sie auch "schmatzen", aber ich habe noch nie beobachtet, dass die Häsin sie anschließend putzt. Der Saugakt wird meistens eher barsch abgebrochen, indem die Häsin "aus dem Nest springt". Nestkontrollen werden von mir täglich durchgeführt. Dabei entdecke ich immer wieder Jungtiere, an denen noch die Ausscheidungen der letzten Stunden kleben. Deshalb kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass die Häsin den Kot der Jungtiere aufnimmt.
Dass Kaninchen nur einmal am Tag gesäugt werden ist mittlerweile ein alter Hut. Die Häsin säugt im Verlauf einer 28-tägigen Säugeperiode die Jungtiere im Durchschnitt 1,28 mal je Tag. Dieser Durchschnittswert resultiert aus 86 % einmaligem, 11,2 % zweimaligem und 0,8 % drei- und mehrmaligem Säugen pro Tag. An durchschnittlich 1,2 Tagen wurde überhaupt nicht gesäugt. Maximal wurde bis zu fünfmaliges Säugen beobachtet. Bezüglich der Anzahl der täglichen Saugakte gibt es rassespezifische Unterschiede. So wurde beobachtet, dass 0.1 der Rassen Rhönkaninchen und Weiße Neuseeländer durchschnittlich nur 1,0 bzw. 1,26 mal pro Tag säugten. Bei Hellen Großsilbern und Fuchskaninchen hingegen lagen die durchschnittlichen Werte bei 1,91 mal bzw. 2,0 mal.
Bezüglich der Fütterung der Jungtiere ist folgendes festzustellen:
(1) Die für das Kaninchen typische Größendifferenzierung der Verdauungsorgane beginnt etwa im Alter von drei Wochen und ist erst im Alter von 6 bis 8 Wochen beendet. Ab der 5. Woche beginnt die Ausscheidung von Weichkot. Es besteht daher keine Notwendigkeit, dass die Jungtiere den Weichkot (= Blinddarmkot) der Mutter aufnehmen. Bis zum Alter von 8 bis 9 Wochen sind die Jungtiere jedoch noch nicht in der Lage, eine geringere Nährstoffkonzentration im Futter durch eine entsprechende Mehraufnahme an Weichkot auszugleichen.
(2) Die Fähigkeit der Jungtiere Stärke zu verdauen, entwickelt sich erst allmählich durch die Aufnahme festen Futters. Die Bildung der dieser Nährstoffe aufschließenden Enzyme (Amylasen) erreicht im Alter von 21 Tagen erst 12 % der im Alter von 32 Tagen festgestellten Menge. Das junge Kaninchen ist somit noch nicht in der Lage Stärke in gleichem Umfang wie das ältere zu verdauen. Die Verabreichung hochverdaulicher und insbesondere stärke- und eiweißreicher Futtermittel (z.B. Getreide und Hülsefrüchte) führt deshalb bei bis zu 7 Wochen alten Tieren zu mit Blähungen und Durchfall verbundenen Darmerkrankungen (Dysenterien).
Jetzt noch zur Größe von Rammler und Häsin! Die innerhalb einer Rasse auftretenden Unterschiede zwischen 1.0 und 0.1 spielen meines Erachtens keine Rolle. Ewas brenzliger wird es, wenn man Verpaarungen verschieden großer Rassen plant. Man muss ja nicht unbedingt einen grauen Farbenzwerg (ca. 1,20 kg) einem Deutschen Widder (ca. 6,00 kg) zuführen, wie es bei der Erzüchtung der Zwergwidder Mitte der Fünfziger-Jahre des letzten Jhdts. geschehen ist. Hier sollte einem der gesunde Menschenverstand die Richtung weisen, sprich die Häsin der größeren Rasse angehören.
Die von mir präsentierten Zahlen bezüglich des Säugens und der kurze Einblick in die Entwicklung der Verdauungsorgane bzw. -enzyme wurde dem "Großen Buch vom Kaninchen", herausgegeben von Wolfgang Schlolaut, entnommen (3. erweiterte Auflage, DLG-Verlag, 2003). Das Buch beschäftigt sich vor allem mit der Rolle des Kaninchens als Nutztier. Mittlerweile werden auch dem "Heimkaninchen" einige wenige Seiten (345 - 348) gewidmet. Nichtsdestotrotz ist es eine wertvolle Informationsquelle. Gäbe es Werke wie dieses nicht, würden sich manche Gerüchte und Irrmeinungen wohl ewig halten.
MfG
NiceDay