Blaue Augen bei Wild-Mix

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Sira
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Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von Sira »

Hallo,

in Kaninchengenetik bin ich wirklich nicht bewandert (muss ich auch nicht), dennnoch ist mir nun etwas untergekommen was ich gern verstehen würde und vielleicht kann mir hier jemand leicht eine Antwort geben:
Vor kurzem ist mir eine Häsin (Widder 2kg, rot, bisschen Löwenmähne, Rex- und Satinträger wenn man dem "Abstammungsnachweis" glauben darf) stiften gegangen.
Viel hab ich mir nicht dabei gedacht als sie am nächsten Tag wieder am Zaun saß. Aber nun wurde sie anscheinend von einem Wildkaninchen gedeckt und hat fünf Junge bekommen - 3x wildfarben ohne besondere Kennzeichen, 1x schmale Blesse, 1x große Blesse, dunkleres Wild, Löwenansatz und blaue Augen!!!

Kann das sein? Ich dachte Wild ist gegen alles andere dominant. Und soweit ich irgendetwas dazu gefunden habe, vererben sich blaue Augen doch rezessiv. (und selbst die Häsin "soll" keine Blauen Augen in ihren vergangenen Generationen gehabt haben)

Inzwischen habe ich mir ja folgendes überlegt:
Wer weiß schon was meine Kuschelhäsin alles in sich trägt?!
Und es war vielleicht kein "reinrassiges" Wildkaninchen, sondern auch irgendein Bastard?!

Oder aber es gibt doch eine logische genetische Erklärung?

Danke für Hilfe, ich hoffe ich habe es einigermaßen verständlich ausgedrückt.
Gruß
Sira
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zwwhotot
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Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von zwwhotot »

Das ist mal wieder so ein Fall, der die offizielle Theorie von den rezessiven Holländerfaktoren über den Haufen wirft. In jedem Fall ist die Häsin von einem Holländer oder weißen BA gedeckt worden oder die Häsin trägt selbst rezessiv Holländerfaktoren. Letzteres ist weniger wahrscheinlich, da das gezeigte Tier eine recht starke Holländerzeichnung aufweist.
Die blauen Augen sind ebenfalls ein Anzeichen der Holländerfaktoren, denn normalerweise haben ursprüngliche Holländer solche. Bei den heute gezüchteten Farben sind die Augenfarben der entsprechenden Zeichnungfarbe durch jahrzehntelange Selektion erst gefestigt worden, dennoch treten Tiere auf, die blau marmorierte oder gar ganz blaue Augen haben.
S i r a

Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von S i r a »

Hallo Henry,

danke für die Antwort.

So ganz leuchtet mir das alles aber noch nicht ein:
Warum tritt diese Andersartigkeit nur bei Einem von fünf Geschwistern auf? Wenn von einem Holländer o. weiß BA (= BlA, oder?) gedeckt wurde, hätte da die Quote nicht höher sein müssen?
Dann bin ich gleich beim nächsten Punkt: Ich schließe einfach mal aus, dass hier bei mir auf der Koppel weiße oder holländergescheckte Tiere rumlaufen.
Was ich nicht ausschließe kann, sind Mischlinge, die aber vom Phänotyp wild sind.
Wenn Holländer und BlA in unterschiedlichen Ausprägungen durchaus dominant in Erscheinung treten, wäre das ja aber auch ausreichend um einen solchen Wurf zu erzeugen.

Wenn die Holländerfaktoren allerdings nicht rezessiv sind, dann würde es doch auch reichen wenn die Häsin solche tragen würde? Sprich sie könnte eben doch von einem völlig normalem Wildkaninchen gedeckt worden sein, oder nicht?
(Ich glaube zwar nicht, dass sie soetwas trägt- nach allen Angaben die ich habe, stammt sie nur von einfarbigen oder japanergezeichneten Tieren ab. Aber glauben ist nicht wissen.)

Ach, vermutlich stecken bei mir noch hundert Denkfehler drin, aber vielleicht macht sich ja jemand die Mühe mich darauf hinzuweisen.
Und hat vielleicht jemand einen guten Buch oder Artikeltipp über diese Sache? Im Netz werde ich nicht so recht fündig.

Grüße
Sira

PS: Muss man so ein Tier eigentlich als Rarität behalten, so richtig Spaß hat man an den wilden Biestern nicht?!
zwwhotot
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Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von zwwhotot »

Also, ein solches Tier muss man nicht als Rarirät behalten, denn so etwas kommt regelmäßig vor, wenn man als einen Elternteil weiß BlA einsetzt.
Mit den Holländerfaktoren gibt es ja einigen Streit. Um Dominanz oder Rezessivität und keiner will nachgeben.
Setzen wir einmal voraus, Holländer hätten wie in Kaninchenfarben.de beschrieben 3 Holländer-Gene.

Fall 1, wir folgen der klassischen Lehre und setzen diese als rezessiv voraus. Deine Häsin hatte also einen rezessiven verdeckt und der Fremdling auch einen, aber im genau denselben Genort (im Beispiel S2). Beide sind folglich einfarbig.

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          S1   s2   S3                                        S1   S2   S3
Häsin:  ---------------.                der Wildrammler:    ---------------- .
          S1   S2   S3                                        S1   s2   S3
Die F1 würde dann aufspalten in:

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          S1    s2    S3                       S1    S2    S3                 
         ------------------- = einfarbig,    ------------------- = einfarbig,
          S1    S2    S3                       S1    S2    S3                

         S1    s2    S3                           S1   S2   S3
         ------------------ = holländerfarbig,  ---------------- = einfarbig.
         S1    s2    S3                           S1   s2   S3
Ein Viertel wäre also holländerfarbig, das trifft mit deiner Beobachtung, 2 von 5 großzügig betrachtet zu. Der mit Blesse gehört auch hier her.

Fall 2: Deine Häsin hat ein dominant wirkendes Holländergen, das aber im Phänotyp nicht sichtbar wurde. Das klingt erst einmal widersprüchlich, muss es aber nicht sein. Der Rammler, als Wildkaninchen eher anzunehmen, ist reinerbig in der Farbe.

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           s1   S2   s3                       s1   s2   s3
Häsin:  ----------------,          Rammler: ---------------- .
           s1   s2   s3                       s1   s2   s3
Die F1 würde aufspalten in:

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           s1   S2   s3                          s1   s2   s3                 
          ---------------- = holländerfarbig,  --------------- = einfarbig,
           s1   s2   s3                          s1   s2   s3                 

          s1   S2   s3                           s1   s2   s3
          ---------------- = holländerfarbig,  --------------- = einfarbig.
          s1   s2   s3                           s1   s2   s3
Das Aufspaltungsverhältnis stimmt schon eher. Nun müsste die Häsin rein theoratisch aber auch Holländerabzeichen zeigen. Überprüfe doch bitte einmal, ob sie nicht eventuell weiße Krallen hat, dann würde die Erklärung leichter fallen.
Im Zusammenhang mit den weißen Krallen hat es immer wieder Erklärungsversuche gegeben, diese mit dem zufälligen Aufeinandertreffen zweier gleich gelagerter rezessiver Holländergene eines Genortes, die sowohl vom Vater als auch von der Mutter kommen müssten, in Verbindung zu bringen. Das lässt sich aber in der praktischen Zucht einfarbiger Rassen nicht bestätigen, wenn nach einer Reihe von Generationen urplötzlich weiße Krallen auftreten. Das ist zudem oftmals dann der Fall, wenn ein neu hinzugekauftes Tier eingesetzt wurde und plötzlich waren sie da und keiner wusste, wo sie herkamen. Niehaus, nachzulesen auch bei Weißenberger, vermutete dazu, dass auch ein von nur einem Elternteil vererbtes Holländergen in seiner dann spalterbigen Form zu ersten Anzeichen von Holländerabzeichen, die mit weißen Krallen beginnen, führen kann. Im Umkehrschluss heisst das allerdings, dass in der Anlage vorhandene Holländerfaktoren sich nicht in jedem Falle sichtbar zeigen müssen.

Da kommen wir dann zur dritten Theorie, die davon ausgeht, dass Holländerfaktoren sich intermediär vererben, dann sind sie weder dominant noch rezessiv, so wie das von den Gelbverstärkern bekannt ist (Da gibt es ja auch genau denselben Streit). Hier treten dann immer Mischfarben auf, die dann grundsätzlich zwischen der Farbausprägung der Eltern liegen. Ich denke, auch dein Beispiel hat das gezeigt, diese brauchen wir nicht weiter zu verfolgen.

Die blauen Augen sind urtypische Holländeraugen. Das ist nun einmal so. Ich hatte einmal ZwW weiß BlA mit ZwW blau gepaart und in der ersten Generation einen kompletten wildgrauen Wurf mit Blesse und weißen Pfoten und - blauen Augen. Weiß BlA hat zwar ursprünglich nichts mit den Holländerfaktoren zu tun, stellt aber dennoch die Endstufe der Holländerei dar.

Sehr interessant ist übrigens, dass die Mähne in der F1 durchschlug. Hatten alle Tiere diesen Ansatz? Selbst wenn nicht, wäre das ein Grund dafür, auch über die Rezessivität der Anlage zur Mähnenbildung nachzudenken.

Ein Jammer, dass der Vater sich nicht hat sehen lassen. Aber so sind die Kerle.

L.G.

Henry
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reh
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Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von reh »

Die mehr webtaugliche Form ist einfach entweder S1S1S2s2S3S3 (was im Fall der S grausig aussieht, aber bei anderen Formeln zu gebrauchen ist) oder S1S2S3/S1s2S3.

Das Mähnengen ist das einzige bekannte dominante Haarstrukturgen (oder auch semidominant, da man spalt- und reinerbige unterscheiden kann), also ganz normal, dass eins ne Mähne hat. Die Mutter ist ein Mm-Löwe.

Kaninchenfarben verwendet einfach deshalb 3 S-Allele, weil 18 oder eine ähnliche Anzahl weder handhabbar noch vermittelbar an die Leute ist, die dort was eintragen sollen. Zumal es international nur Du, dud und duw gibt.
mit freundlichen Grüßen
reh

www.satinangora.de - die Kaninchen zum Spinnen -
www.kaninchenfarben.de - Bilder und Genformeln -
zwwhotot
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Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von zwwhotot »

Nein, soweit ist das alles o.K. Danke übrigens für die optische Klarstellung des vorangegangenen Beitrags. Die zeilenweise Darstellung von Genformeln ist einfach zu unübersichtlich. Auch habe ich nichts gegen 3 Holländergene. Ob mehr oder weniger, das spielt keine Rolle. Das genetische Problem muss darstellbar sein und das ist es damit in jedem Falle.
Als "Nicht-Hobbyzüchter" war mir die Semidominanz der Mähnung nicht bekannt, danke für den Hinweis. Die mir vorliegenden Quellen diskutierten es als rezessiv, was ja nun wirklich nicht sein kann.

beste Grüße aus Magdeburg

Henry
zwwhotot
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Re: Blaue Augen bei Wild-Mix

Beitrag von zwwhotot »

Ich übersah: Ich sprach nicht von 3 Allelen, sondern von drei verschiedenen und jeweils für sich wirksamen Genen. Ist es nur ein Genort mit drei verschiedenen Zustandsformen der Gene, also Allelen, dann müssen wir die Mischerbigkeit der Holländerzeichnung diskutieren. Davon war ich auch einmal überzeugt, aber die Praxis hat bewiesen, dass hier über Kombinationen verschiedener Gene (und ggf. über deren Zustandsformen) diskutiert werden muss. Trifft eventuell auch auf die WO zu.

Henry
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