von NiceDay » 28. Aug 2004 01:11
Hallo Karl!
Einer meiner beiden Kollegen züchtet neben Weißen auch Rote Neuseeländer. Er hat 2002 auf der Bundesrammlerschau in Kassel einen Rammler der RN erworben, bei dem man heute aufgrund der Nachzucht behaupten kann, dass er verdeckt die Anlage zum Spaltpenis trägt. Im ersten Zuchtjahr - sprich 2003 - traten keine Probleme auf. 2004 wurden die ersten Rückpaarungen durchgeführt und festgestellt, dass einige der Jungtiere einen Spaltpenis zeigen. Ich kann dir leider nicht sagen, wieviele es sind. Ich werde ihn bei der nächsten Vereinsversammlung 'mal interviewen.
Und das soll alles von e i n e m einfach mendelnden Gen herrühren?
Gute Frage! Ist der Erbgang des Spaltpenis polygen? W. Schlolaut gibt im "Großen Buch vom Kaninchen" (2003) an, dass eine Reihe von polygen vererbten Defekten bekannt sei. Ihr Anteil sei wesentlich geringer als der von mendelnden Anomalien, doch dürfte es aufgrund methodischer Schwierigkeiten eine beträchtliche "Dunkelziffer" geben. In der Tabelle 21 auf Seite 128f sind nur zwei enthalten. Der eine ist die Arteriosklerose, der andere die Skoliose (Verbiegung der Wirbelsäule). Eine Hypospadie ist nicht dabei.
Auf reh's Seite findest du unter Genetik, Krankheiten, ein Foto einer Wirbelsäulenkrümmung. Unter der Voraussetzung, dass das eine Skoliose ist und polygen beinhaltet, dass die Erscheinungsformen von schwach bis stark variieren können - das Tier auf dem Foto hat eine äußerst starke Krümmung, es sind auch welche mit schwächerer und schwacher bzw. kaum wahrnehmbarer Krümmung aufgetreten - könnte der Erbgang des Spaltpenis auch polygen sein.
Eine andere Möglichkeit wäre eine unvollständige Penetranz bzw. Manifestierungshäufigkeit. Diese erklärt zwar die Übergänge von stark bis schwach nicht, könnte jedoch dafür verantwortlich sein, dass das Merkmal im Vergleich zur Prognose bei einem weit geringeren Teil sichtbar in Erscheinung tritt. Bei der erblichen Oberkieferverkürzung (Brachygnathia superior) hat sich herausgestellt, dass rund 20 % der Tiere diesen Defekt nicht ausbilden, obwohl sie reinerbig für diese Anlage sind und im Grunde Merkmalsträger sein müssten (W. Schlolaut, "Das große Buch vom Kaninchen", Seite 131, 2003).
Bei autosomal-rezessiven Mutationen kann die Ausprägung eines Merkmals innerhalb einer Gruppe von Individuen gleichen Genotyps sehr stark variieren. In Bezug auf das Merkmal "Spaltpenis" bedeutet das, dass es homozygote hy/hy-Tiere mit "fast" normalem Penis bis hin zu stark gespaltenem Penis gibt. Hierfür gibt es den Ausdruck der "Expressivität" ("Grad der Expressivität), welche die Veränderlichkeit in der Ausprägungsintensität eines Merkmals bezeichnet.
Ein Problem ist jedoch, dass Penetranz und Expressivität sowohl von anderen genetischen Faktoren als auch von der Umwelt beeinflußt werden.
Die Frage, ob der Erbgang des Spaltpenis polygen oder autosomal-rezessiv mit unvollständiger Penetranz und wechselnder Expressivität ist, kann ich dir nicht beantworten. Laut Hennig ("Genetik", Axel Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1995) sind Merkmale mit wechselnder Expressivität und unvollständiger Penetranz für genetische Analysen bzw. genetische Experimente meist wenig geeignet.
Ich habe noch in "The Biology of the Laboratory Rabbit", einem überaus ausführlichem Werk über Kaninchen nachgesehen. Bei den durch einfach mendelnden Gene verursachten Anomalien ist der Spaltpenis nicht dabei. Mit "hy" wird hier übrigens der Hydrocephalus ("Wasserkopf") bezeichnet. Niehaus scheint neben Robinson der einzige gewesen zu sein, der sich mit dieser Anomalie beschäftigte. Die meisten Hinweise, die ich gefunden habe, stimmen fast wortwörtlich mit Niehaus überein, zitiert wird er jedoch höchst selten.
Mit freundlichen Grüßen
NiceDay
Hallo Karl!
Einer meiner beiden Kollegen züchtet neben Weißen auch Rote Neuseeländer. Er hat 2002 auf der Bundesrammlerschau in Kassel einen Rammler der RN erworben, bei dem man heute aufgrund der Nachzucht behaupten kann, dass er verdeckt die Anlage zum Spaltpenis trägt. Im ersten Zuchtjahr - sprich 2003 - traten keine Probleme auf. 2004 wurden die ersten Rückpaarungen durchgeführt und festgestellt, dass einige der Jungtiere einen Spaltpenis zeigen. Ich kann dir leider nicht sagen, wieviele es sind. Ich werde ihn bei der nächsten Vereinsversammlung 'mal interviewen.
[quote][i]Und das soll alles von e i n e m einfach mendelnden Gen herrühren? [/i][/quote]
Gute Frage! Ist der Erbgang des Spaltpenis polygen? W. Schlolaut gibt im "Großen Buch vom Kaninchen" (2003) an, dass eine Reihe von polygen vererbten Defekten bekannt sei. Ihr Anteil sei wesentlich geringer als der von mendelnden Anomalien, doch dürfte es aufgrund methodischer Schwierigkeiten eine beträchtliche "Dunkelziffer" geben. In der Tabelle 21 auf Seite 128f sind nur zwei enthalten. Der eine ist die Arteriosklerose, der andere die Skoliose (Verbiegung der Wirbelsäule). Eine Hypospadie ist nicht dabei.
Auf reh's Seite findest du unter Genetik, Krankheiten, ein Foto einer Wirbelsäulenkrümmung. Unter der Voraussetzung, dass das eine Skoliose ist und polygen beinhaltet, dass die Erscheinungsformen von schwach bis stark variieren können - das Tier auf dem Foto hat eine äußerst starke Krümmung, es sind auch welche mit schwächerer und schwacher bzw. kaum wahrnehmbarer Krümmung aufgetreten - könnte der Erbgang des Spaltpenis auch polygen sein.
Eine andere Möglichkeit wäre eine unvollständige Penetranz bzw. Manifestierungshäufigkeit. Diese erklärt zwar die Übergänge von stark bis schwach nicht, könnte jedoch dafür verantwortlich sein, dass das Merkmal im Vergleich zur Prognose bei einem weit geringeren Teil sichtbar in Erscheinung tritt. Bei der erblichen Oberkieferverkürzung (Brachygnathia superior) hat sich herausgestellt, dass rund 20 % der Tiere diesen Defekt nicht ausbilden, obwohl sie reinerbig für diese Anlage sind und im Grunde Merkmalsträger sein müssten (W. Schlolaut, "Das große Buch vom Kaninchen", Seite 131, 2003).
Bei autosomal-rezessiven Mutationen kann die Ausprägung eines Merkmals innerhalb einer Gruppe von Individuen gleichen Genotyps sehr stark variieren. In Bezug auf das Merkmal "Spaltpenis" bedeutet das, dass es homozygote hy/hy-Tiere mit "fast" normalem Penis bis hin zu stark gespaltenem Penis gibt. Hierfür gibt es den Ausdruck der "Expressivität" ("Grad der Expressivität), welche die Veränderlichkeit in der Ausprägungsintensität eines Merkmals bezeichnet.
Ein Problem ist jedoch, dass Penetranz und Expressivität sowohl von anderen genetischen Faktoren als auch von der Umwelt beeinflußt werden.
Die Frage, ob der Erbgang des Spaltpenis polygen oder autosomal-rezessiv mit unvollständiger Penetranz und wechselnder Expressivität ist, kann ich dir nicht beantworten. Laut Hennig ("Genetik", Axel Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 1995) sind Merkmale mit wechselnder Expressivität und unvollständiger Penetranz für genetische Analysen bzw. genetische Experimente meist wenig geeignet.
Ich habe noch in "The Biology of the Laboratory Rabbit", einem überaus ausführlichem Werk über Kaninchen nachgesehen. Bei den durch einfach mendelnden Gene verursachten Anomalien ist der Spaltpenis nicht dabei. Mit "hy" wird hier übrigens der Hydrocephalus ("Wasserkopf") bezeichnet. Niehaus scheint neben Robinson der einzige gewesen zu sein, der sich mit dieser Anomalie beschäftigte. Die meisten Hinweise, die ich gefunden habe, stimmen fast wortwörtlich mit Niehaus überein, zitiert wird er jedoch höchst selten.
Mit freundlichen Grüßen
NiceDay