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Verwendung des Textes an anderer Stelle nur mit Genehmigung des Autors.
Erschienen in der Kaninchenzeitung, Heft 8/2010.
Bisher wurde in der Regel gelehrt, die Farbe blauer Kaninchen entstehe durch eine verdünnte Einlagerung des schwarzen Pigmentes in das wachsende Haar. Deshalb wird das entsprechende Gen auch Faktor für Verdünnung (Dilution) genannt.
„Doch die molekulargenetischen Arbeiten sind da anderer Meinung.” ist G. Hochstrasser überzeugt (Hochstrasser 2009, Über die G-Reihe der Grundfarbformel). Er vertritt die Meinung, dass das Blau nicht durch den Faktor dilution entsteht, sondern durch den Faktor slaty, welcher eine chemische Veränderung des schwarzen Eumelanins zu einer blaugrauen Form bewirkt.
Verändert oder verdünnt?
Entstünden die blauen Haare durch eine Veränderung der dunklen Pigmente, wie entstand dann die Vorstellung, das Blau beim Kaninchen sei eine sogenannte Strukturfarbe? Sollten sich alle früheren Autoren geirrt oder sich immer wieder auf dieselbe fehlerhafte Aussage berufen haben?Schaut man sich in der diesbezüglichen Literatur um, stellt man fest, dass die Frage der Entstehung bläulich erscheinender Haare gründlich untersucht wurde. (Danneel 1936, Die Färbung unserer Kaninchenrassen und ihre histogenetischen Grundlagen):
Dazu sind in dieser Arbeit verschiedene mikroskopische Abbildungen von Haaren enthalten, in denen man die unregelmäßige Pigmentverteilung und die Verklumpungen gut erkennen kann.„Beim Vergleich des Blauwiener-Haares mit dem des schwarzen Alaskas, von dem wir ja ausgingen, fällt ein Unterschied sofort ins Auge: während nämlich beim Alaska das Pigment ziemlich gleichmäßig verteilt ist, sieht das Haar des Wieners unter dem Mikroskop fleckig aus, weil hier die Mark- und Rindenzellen neben vereinzelt liegenden Pigmentkörnern dicke Pigmentklumpen enthalten, die offensichtlich durch Zusammenballung vieler Einzelkörner zustande gekommen sind. Diese Ballung, die schon bei geringer Vergrößerung deutlich sichtbar ist, geht in den Wollhaaren soweit, daß knotige Anschwellungen des Haares entstehen. Sie findet sich nicht nur beim blauen Wiener, sondern (…) bei allen dd-Tieren, die ich bisher untersuchen konnte, und nur bei ihnen.
Das Merkmal ist so eindeutig, daß wir es mit Erfolg zur Entscheidung genetisch fraglicher Fälle verwenden (…).”
Nun gibt es bei der Maus nicht nur einen Faktor, der zu einem mehr oder weniger blaugrau gefärbten Fell führt. Im Gegenteil, es sind neben dem von G. Hochstrasser in Betracht gezogenen slaty noch mehrere andere Faktoren mit optisch ähnlicher Wirkung beschrieben (Silvers 1979, The coat colors of mice: A model for mammalian gene action and interaction).
Die Faktoren dilute und leaden zum Beispiel verursachen beide eine Störung des Transports der Pigmentkörnchen von der farbbildenden Zelle in das wachsenden Haar. Für den Hausgebrauch kann man sich einfach vorstellen, dass die Pigmentkörnchen wie kleine U-Boote durch die Zelle schwimmen, welche bei Tieren mit dem Verdünnungsfaktor einen Motorschaden haben.
Silvers schreibt über dilute (übersetzt):
In neuerer Literatur kann man genauer nachlesen, auf welche Weise der intrazelluläre Transport der Melanosomen gestört ist (siehe Literaturhinweise). Ich denke, das wird die wenigsten Züchter auch nur ansatzweise interessieren, weshalb ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen will.„Die d/d Phänotyp wird dadurch gekennzeichnet, dass zwischen einem Drittel und zwei Drittel des Pigments in sehr großen, auffälligen Klumpen mit klar abgegrenzten Rändern eingelagert wird. Diese Klumpen (…) haben kaum Auswirkungen auf die Lichtabsorption (…). Die Verklumpung der Pigmentkörner (…) ist in der Regel begleitet durch eine Verringerung der Körner in der Rinde im Verhältnis zur Zahl der Körner im Mark, durch die unregelmäßige Anordnung der unverklumpten Körner und durch eine gewisse Pigmentierungsverzögerung, das heißt die Haarspitzen enthalten oft weniger Pigment.
Die Situation bei leaden ist im Wesentlichen die gleichen wie bei dilution.”
G. Hochstrasser bezweifelt, dass die Blaufärbung durch die Lichtbrechung in einem halbdurchsichtigen Medium erfolgt, da auch entsprechende Satinkaninchen mit ihrem von einem durchsichtigen Häutchen umgebenen Haar blau erscheinen. (Hochstrasser 2008, Anmerkungen zur Fellfärbung beim Hauskaninchen)
Wie genau diese bläuliche Färbung nun wirklich entsteht, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich möchte jedoch anmerken, das Nicht-Kaninchenzüchter ein solches Tier in der Regel grau nennen.Das zeigt, so richtig „blau“ sind sie eigentlich nicht. Ich halte es für möglich, dass die Farbe der blauen Tieren exakt die selbe ist, wie bei den schwarzen, nur wirkt die schwarze Farbe auf Grund ihrer Dunkelheit nicht blauschwarz, die hellere aber blaugrau, weil in helleren Farbtönen Nuancen besser sichtbar sind.
Ähnliches könnte auch auf braunes Haar und dessen bläuliche Unterfarbe zutreffen.
G. Hochstrasser bedauert, dass kein ihm bekannter Autor die Frage, beantwortet, ob bei einfarbigem Schwarz die dunkelblaue Unterfarbe durch verdünnte Einlagerung von Schwarz entsteht. (Hochstrasser 2005, Feinerklärung des blauen Eumelanins)
Danneel schreibt in oben genannter Arbeit:
Diese Beobachtung zeigt, dass sich die Unterfarbe schwarzbasierter Rassen und die Farbe blaubasierter Tiere strukturell ziemlich ähnlich sind. Bei beiden findet man:„Danach werden in den Matrixzellen der Haarwurzel zuerst sehr viele mittelgroße Körner gebildet (Spitze und Grannenteil des Haares), später weniger aber größere Körner (Haarbasis). In der Zone der Rindenbildungszellen erlischt gegen Ende der Haarentwicklung die Pigmentproduktion, während sie in den Markzellen des Alaskas zwar bis zuletzt anhält, aber ebenfalls schwächer wird.”

- größere Pigmentkörner
- weniger Pigmentkörner
- Pigmentkörner vorwiegend in den Markzellen
(Bild – blaues (unten) und schwarzes Fell gegenübergestellt)
Aus der Literatur wissen wir aber auch, dass der d-Faktor auch Rot zu Cremefarbig verdünnen sollte. Das tut er aber (vermutlich) gar nicht (…) Eine Verdünnung zu Cremefarbigkeit hat demnach nicht stattgefunden! (Hochstrasser 2005, Feinerklärung des blauen Eumelanins)
Als Begründung ist die recht ähnliche Beschreibung der Zwischenfarbe bei schwarz- und blauwildfarbigen Rassen angeführt.
Da ich die Lohkaninchen mit ihrer getrennten Einlagerung von hellem und dunklem Pigment für ein sehr geeignetes Anschauungsobjekt für solche Fragen halte, stelle ich dem beispielhaft diese Aussage gegenüber:
Die blauen und fehfarbigen Farbenschläge haben jedoch eine deutlich hellere Lohfarbe. (…) die Lohfarbe so kräftig wie bei den schwarzen und braunen Farbenschlägen zu bekommen (...) ist jedoch so ohne weiteres nicht möglich, da die Folge dieses Bestrebens eine Verdunklung der Deckfarbe bedeutet. (2007, 5. Arbeitstagung der Fehlohzüchter)
Daraus lässt sich schließen, dass der Verdünnungsfaktor sehr wohl beide Melaninarten betrifft.
Wenn G. Hochstrassers schreibt dass die von ihm zitierte englischsprachige Genetikliteratur jeden Einfluss des slaty-locus auf die Phäomelaninogenese verneint, ist das für mich deshalb kein Argument für, sondern gegen das Vorliegen dieses Gens als Verursacher der blauen Fellfarbe.
Warum rote und gelbe Fellbereiche etwas weniger stark verdünnt erscheinen als die dunklen, ist mir nicht bekannt.
Es könnte jedoch mit den unterschiedlichen Wellenlänge der Lichtfarben zusammenhängen, so das das rötliche Licht anders (im Sinne von wirkungsvoller) reflektiert wird.
Praktischer Versuch am Mikroskop
Die Möglichkeit, das Vorhandensein des Verdünnungsfaktors anhand mikroskopischer Beobachtungen klar feststellen zu können fand ich so interessant, dass ich mir Haare von einigen blauen Rassen (blau, blausilber, blaugrau) besorgte, um diese unter dem Mikroskop zu betrachten. Gleich bei der ersten Probe – und in allen weiteren - fand ich die erwähnten Verklumpungen und Unregelmäßigkeiten (siehe Kasten). Diese erstrecken sich auch auf Bereiche mit gelbem Pigment.Ebenso konnte ich durch die verzögerte Pigmenteinlagerung ungefärbte Grannenspitzen finden.
Außerdem ist zu beobachten, dass die Pigmente in den blauen Haaren nicht blaugrau, sondern durchweg schwarz aussehen. Durch das Mikroskop ließen sich die gelben und schwarzen Pigmente recht gut erkennen. Ich habe versucht, das in den Bildern so farbrichtig wie möglich wiederzugeben.

Zuordnung von Maus-Genen zum Kaninchen
Es gibt viele sogenannte homologe Gene. Das sind bei verschiedenen Arten vorhandene, gleichartige Erbfaktoren. Zum Beispiel ist das gleiche Tyrosinase produzierende Gen bei Mensch, Schimpanse, Hund, Rind, Bankivahuhn und Zebrafisch nachgewiesen. Optisch ähnliche Mutationen finden wir bei Schwein, Meerschwein, Katze, Frettchen, Mongolische Rennmaus. Im Allgemeinen ist es also durchaus zulässig, bei der einen Tierart erforschte Sachverhalte auch auf andere Tierarten anzuwenden. Dabei sollte man aber die Wahrscheinlichkeit eines homologen Merkmals ausreichend abwägen.Bisher gibt es leider keine spezifische Untersuchungen über die molekularbiologische Ursache des Blaus beim Kaninchen, weshalb man auf Informationen von anderer Säugetieren angewiesen ist..
Doch stellt sich mit die Frage, warum G. Hochstrasser dieses Blau ausgerechnet dem slaty-Blau der Maus gleichsetzen möchte, während es doch andere Maus-Mutationen gibt, deren Wirkungsweise den vorgefundenen Verhältnissen beim Kaninchen wesentlich besser entsprechen als die bei slaty-Mäusen.
Die von ihm vorgebrachten Argumente können mich nicht überzeugen, eher im Gegenteil.
Meiner Meinung nach sollte man neue Ideen, insbesondere solche von derart einschneidender Art, deutlich als das kennzeichnen, was sie sind: Theorien. Diese können unter Umständen recht interessant sein, sind aber eben keine Tatsachen. Zu solchen werden sie auch nicht, indem man sie häufig äußert.
Sollten nicht die in der Kaninchenzeitung veröffentlichten wissenschaftlichen Informationen ein Stück verlässlich sein? Nicht jeder ist in der glücklichen Lage, solche speziellen Sachverhalte in der zum Großteil englischsprachigen und nicht überall zugänglichen wissenschaftlichen Literatur nachprüfen zu können.
Literatur
Danneel, Rolf: Die Färbung unserer Kaninchenrassen und ihre histogenetischen Grundlagen. Molecular and General Genetics 71, Nr. 1/1936, 231-264.Hochstrasser, Gerhardt: Die blaue und havannabraune Haarfarbe beim Kaninchen. Kaninchenzeitung 2/2005.
– Feinerklärung des blauen Eumelanins. Kaninchenzeitung 9/2005.
– Anmerkungen zur Fellfärbung beim Hauskaninchen, Teil 2. Kaninchenzeitung 21/2008.
– Über die G-Reihe der Grundfarbformel. Kaninchenzeitung 23/2009.
Robinson, Roy: Genetic studies of the rabbit. Bibliographia genetica, 17/1958.
Schnieder, Franz: Bericht von der 5. Arbeitstagung der Fehlohzüchter. Kaninchenzeitung 3/2007.
Schumacher, Christoph: Das Lohkaninchen. Kaninchenzeitung 17/2006.
Silvers, Willys: The coat colors of mice: A model for mammalian gene action and interaction. Springer-Verlag, 1979.
Westbroek, W., Lambert, J. und Naeyaert, J. M.: The dilute locus and Griscelli syndrome: gateways towards a better understanding of melanosome transport. Pigment Cell Research 14, No. 5 (Oktober 2001), 320-327.
Datenbank HomoloGene (National Center for Biotechnology Information): http://www. ncbi.nlm.nih.gov/homologene .